Das Südtirol

Wo der Norden schon Süden ist

Einführung

Eine Jahrtausende alte Geschichte und Weinkultur prägt dieses kleine Weingebiet. Archäologische Funde wie Rebmesser und Schöpfkellen belegen, dass schon zu dieser Zeit Weinbau betrieben wurde. Bereits dort füllte das Volk der Räter im heutigen Südtirol seinen Wein in Holzfässer ab. Mit dem Bau der „Via Claudia Augusta“ entstand die erste Alpenverbindung. Zwei Alpenpässe sicherten dem „Land im Gebirge“, wie Tirol damals genannt wurde, Jahrhunderte lang eine zentrale Stellung im europäischen Machtgefüge. Pilger und Kaufleute brachten auf diese Weise neues Wissen über den Weinbau und veredelte Rebensetzlinge ins Südtirol. Ab dem 8. Jahrhundert nach Christus erwarben fränkische und bayrische Klöster Weingüter im klimatisch bevorzugten Südtirol. Es wurden erste Weine wie „Potzner“ und „Traminer“ nach ihrer Südtiroler Herkunft benannt. Im Jahr 1525 erwähnte der Bauernführer Michael Gaismair zum ersten Mal die Sorte Lagrein. Besonders gefördert wurde der Weinbau in Südtirol durch die Habsburgermonarchien. Die Anzahl der Rebsorten nahm zu und neue, edle und kleinbeerige Sorten wie Riesling und andere Burgundersorten zogen in die Weingärten ein. Leider aber auch um etwa 1900 die aus Amerika eingeschleppte Rebkrankheit Phylloxera. Etwa zu dieser Zeit wird auch die erste Kellereigenossenschaft in Andrian und 1896 die erste Bozner Weinkost (grösste Weinmesse), die es heute noch gibt, gegründet.

Die eigentliche Geschichte des heutigen Südtirols beginnt im Jahr 1919, als das Gebiet südlich des Brenners vom österreichischen Tirol losgelöst und Italien zugesprochen wird. Auf diese Ereignisse waren allerdings die Südtiroler nicht vorbereitet. Die faschistische Italienisierungspolitik zerschlug jedes Streben nach kultureller und politischer Selbstständigkeit. Mit 10‘000 Hektaren erreichte der Weinbau in Südtirol seine damals grösste Ausdehnung. Heute sind es noch 5300 Hektar. Ein neues Weingesetz, das die Produktion der Weine mit Ursprungsbezeichnung regelt, trägt zur Renaissance im Südtiroler Weinbau bei. Im Jahr 1970 erfolgt die Anerkennung der Ursprungsbezeichnung „Kalterer See“ und im Jahr 1975 diese von „Südtiroler“. Seit 1980 erlebt der Südtiroler Rebbau einen nachhaltigen Aufschwung. Für einen beachtlichen Qualitätsschub sorgt einerseits der Ausbau der Weine nach Lagen oder die drastische Reduktion der Erträge und anderseits die Einführung moderner Techniken und Methoden. Heute stehen 98,8% der gesamten Südtiroler Weinfläche unter DOC-Schutz.

Land und Leute

Auffallend sind im Südtirol zuerst einmal die drei Sprachgruppen und dementsprechend die drei offiziellen Landessprachen. Deutsche, Italiener und Ladiner leben hier beisammen. Alpine und mediterrane Lebensart haben unter den etwas mehr als 500‘000 Einwohnern auf 7400km2 des Landes Südtirol ein Auskommen gefunden. Südtirol ist heute Teil der italienischen Region Trentino-Südtirol, die aus den zwei autonomen Provinzen Bozen-Südtirol und Trentino besteht. Die nördlichste Provinz Italiens hat weitreichenden Autonomiestatus, welcher der Landesregierung zahlreiche Bereiche wie den Strassenbau, das Gesundheitswesen oder das Sozialsystem unterstellt, die ansonsten vom Staat geregelt würden. Das Schulsystem ist nach Sprachen getrennt. Deutsch beziehungsweise Italienisch wird als erste Fremdsprache unterrichtet. In den ladinischen Tälern erfolgt der Unterricht in allen drei Sprachen.

Der Weinbau in Zahlen

Die Rebfläche im Südtirol ist 5400 Hektar gross. Es gibt etwa 5000 Weinbaubetriebe, welche die meisten ihrer Trauben in etwa 150 Kellereien liefern. So sind etwa 10‘000 Mitarbeiter in der Weinwirtschaft beschäftigt. Es werden ungefähr 45‘000 Tonnen Trauben geerntet und aus der gesamten Weinproduktion von etwa 350‘000 Hektolitern werden jährlich etwa 40 Millionen Flaschen Wein abgefüllt. 60% Weisswein, 40% Rotwein. Anbau von 20 verschiedenen Traubensorten auf gerade einmal 90 km Länge.

Rebflächen:

  • Unterland: Weinbaufläche 1860 Hektar (36 % der Gesamtfläche) 67% Weisswein, 33% Rotwein
  • Ueberetsch: Weinbaufläche 1690 Hektar (32% der Gesamtfläche) 56% Weisswein, 44% Rotwein.
  • Bozen: Weinbaufläche 700 Hektar. (13% der Gesamtfläche) 30% Weisswein, 70 % Rotwein.
  • Etschtal: 315 Hektar (6% der Gesamtfläche) 63% Weisswein, 37% Rotwein.
  • Meran: 300 Hektar (6% der Gesamtfläche) 37% Weisswein, 63% Rotwein.
  • Eisacktal: 320 Hektar (6% der Gesamtfläche) 95% Weisswein, 5% Rotwein.
  • Vinschgau: 45 Hektar (1% der Gesamtfläche) 51% Weisswein, 49% Rotwein.

Distribution: 50% der Weine werden im Südtirol getrunken. 15 % übriges Italien, 10% in den USA, 10% in Deutschland, 8% in der Schweiz und in Österreich und 7% in anderen Ländern.

Gute Bedingungen für guten Wein: Klima und Topografie

Südtiroler Wein wächst dort, wo andere Urlaub machen. Mit über 300 Sonnentagen im Jahr, nur etwa 500 bis 800 mm Niederschlägen und einem milden, alpin-kontinentalen Klima ist Südtirol eines der hervorragendsten Weingebiete. Die hoch aufragenden Gipfel der Alpen schützen es im Norden vor kalten Winden und gegen Süden ist das Land offen für die mediterranen Einflüsse. Dadurch ergeben sich grosse Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, eine Durchschnittstemperatur von 18 Grad während der Wachstumsphase sowie ausreichende Niederschläge.

Die Topographie der Weingebiete gleicht einem komplexen Mosaik. Das Land ist von Bergen und Tälern geprägt und so finden sich Weinberge mit völlig unterschiedlicher Ausrichtung, verschiedenen Höhenlagen, von 200 m über Meer bis 1000 m über Meer und einem unterschiedlichen Mikroklima.

Von Grund auf vielseitig, die Geologie der Böden

Die geologische Beschaffenheit der Böden ändert sich oft schon von Weingut zu Weingut. Vom Urgesteinboden aus Quarz und Glimmer (Eisacktal), sandhaltigem Mergel (südlich von Kurtatsch), vulkanischem Porphyr (Meran, Bozen, Kaltern) bis hin zu Kalk-und Dolomitgestein (Unterland) reichen die Böden, auf welchem die Südtiroler Weine wachsen.

Ein Teil der Weinberge liegt auf Mur- und Schwemmkegeln. Dabei handelt es sich um tiefgründige, grundwasserferne Böden. Die Weinrebe als Tiefwurzler kann an diesen Standorten beträchtliche Wurzelräume erschliessen und so auch längere Trockenperioden unbeschadet überstehen.

Der andere Teil der Weinberge liegt auf Hang- und Terrassenlagen. Hier überwiegen Moränenablagerungen, wobei die wechselhafte Beschaffenheit der Flächen unterschiedliche Böden bedingt. Sie sind meist schwer durchwurzelbar und ihre Wasserdurchlässigkeit ist sehr gering.

Dank der konsequenten Erforschung der verschiedensten Bodenarten wissen die Winzer im Südtirol heute ganz genau, auf welcher Unterlage welche Sorte am besten gedeiht. Der autochthone Lagrein bevorzugt warme Böden aus Kies und Sand, während der autochthone Gewürztraminer auf kalkreichen, lehmigen Boden sein Potential entfaltet. Charaktervolle Weissweine hingegen wachsen an besten auf den weltweit einmaligen, warmen, wasserdurchlässigen, mineralhaltigen Dolomit-Kalk Böden.

Die 7 Weinbauzonen oder 7 starke Charakter

Unterland

Das südlichste Anbaugebiet Südtirols ist nicht nur das grösste, sondern auch das wärmste. Der milde Einfluss aus dem Süden lässt hier vor allem spät reifende Sorten wie etwa den vollmundigen, ausgewogenen Cabernet Sauvignon entstehen. Die Dörfer Mazon und Montan gelten als Hochburgen des Blauburgunders. In Tramin erlebt der aus diesem Gebiet stammende, autochthone Gewürztraminer einen begeisternden, internationalen Aufschwung.

Ueberetsch

Hier ist das Herz der Weinregion Südtirol. Markant der Kalterer See mit seinen sanften Weinbergen und Schlössern. Die beiden grössten Weinbaugemeinden in dieser fruchtbaren Gegend sind Eppan und Kaltern. Sie vereinen eine lange Vernatsch-Tradition mit den in tieferen Lagen reifenden Merlot- und Cabernet Reben und den in höheren Lagen angebauten Weissburgunder, Gewürztraminer, Sauvignon und Blauburgunder Reben.

Bozen

Im Gebiet der Südtiroler Hauptstadt Bozen werden in einem sonnenverwöhnten Talkessel zwei der prestigereichsten, autochthonen Traubensorten ausgebaut. Es sind dies der St. Magdalener, der edelste und kräftigste Vernatsch Südtirols und der Lagrein. International am besten bekannt ist der Lagrein aus Griess.

Etschtal

Die auffallend roten Porphyr- Verwitterungsböden prägen die Landschaft rund um die Weinhochburgen Terlan, Nals und Andrian. In diesen Böden bilden die Reben tiefe Wurzeln, um genügend Wasser zu bekommen. Das ist auch der Grund, wieso hier besonders langlebige, gut strukturierte, betont mineralische, finessenreiche und lagerbare Weissweine wie der Weissburgunder und der Sauvignon gedeihen.

Meran

Nicht nur als Kurstadt, sondern auch als Weinbaugebiet hat sie sich einen Namen gemacht. Das überaus milde, ausgeglichene Klima und die Sandböden ergeben perfekte Bedingungen für den Rebbau. Vor allem werden Vernatsch-Weine mit der DOC Bezeichnung „Südtiroler-Meraner“ ausgebaut und abgefüllt. Aber auch Merlot und Blauburgunder fühlen sich in diesem Terroir sehr wohl. Sie überzeugen mit präsenter Säure und Bekömmlichkeit.

Eisacktal

Besonders exquisit sind die Resultate im nördlichsten Weingebiet in Italien. Hier stösst der Weinbau an seine physischen Grenzen. Die Urgesteinsböden aus Quarz und Glimmer bringen hervorragende, rassige, kräftige und subtile Weissweine von internationalem Format hervor. Sylvaner und Müller-Thurgau ergeben mineralische und bekömmliche Weine mit anregendem Säurespiel und die Traubensorten Kerner und Riesling verblüffen die Fachwelt.

Vinschgau

Nur halb so viel Regen wie im Unterland fällt in diesem trockensten Alpental des Südtirols. Das ursprüngliche Apfelparadies Vinschgau erlebt zurzeit einen Aufschwung als Weinland. Dies vor allem, weil es 1995 den DOC Status erreichte. Auf den kargen, sandigen Böden wird ein „Cool Climate“-Weinbau betrieben. Dieser bringt filigrane Weine hervor. Neben Riesling und Weissburgunder hat das Vinschgau neu auch den Blauburgunder entdeckt.

Einzigartige Sortenvielfalt und die autochthonen Sorten

In mehr als 60% der Südtiroler Weinberge wachsen mit steigender Tendenz weisse Rebsorten. Pinot Grigio, der autochthone Gewürztraminer, Chardonnay und Weissburgunder stehen bei den Weissweinen mit rund 70% Mengenanteil an der Spitze. Daneben werden auch Sauvignon, Müller-Thurgau, Sylvaner, Kerner, Riesling und Veltliner angebaut.

Bei den Rotweinen, rund 30% der gesamten Rebfläche ist mit roten Sorten bepflanzt, fühlen sich neben den beiden klassischen, autochthonen Rotweinsorten Vernatsch und Lagrein seit über hundert Jahren auch Blauburgunder, Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc wohl.

Eine rare Spezialität ist der Südtiroler Sekt, der nach der klassischen Methode aus den Sorten Chardonnay, Weissburgunder und Blauburgunder erzeugt wird. Laut Gesetz müssen die Weine nach der zweiten Gärung in der Flasche mindesten 15 Monate auf der Hefe liegen und die Flaschenreife dauert zwischen zwei und drei Jahren.

Ebenfalls selten aber nicht weniger gut sind die Süssweine, welche aus den Traubensorten Rosenmuskateller, Goldmuskateller oder Gewürztraminer gekeltert werden.

Der eigene Stil: Anbau, Vinifikation, Organisation und Vertrieb

Auch im Südtirol gilt die Meinung, dass die Qualität im Rebberg wurzelt. Daher setzen die Winzer seit Jahren auf strenge Ertragsbeschränkung, um die Traubenqualität zu verbessern. Handarbeit ist in den Rebbergen noch eine Selbstverständlichkeit, fördert die Qualität der Trauben und ist ein wertvoller Beitrag für den Landschaftsschutz. Viel Wert legt man auch auf umweltschonende Anbaumethoden. Der naturnahe, biologische Weinbau unterstützt die Widerstandskraft der Natur, schützt Nützlinge und begünstigt deren Ausbreitung. Die konsequente Umstellung vom klassischen Pergel System auf die moderne Drahtrahmen-Erziehung führt dazu, dass die Rebstöcke im qualitätsfördernden Wettbewerb zueinanderstehen oder anders gesagt, hier produziert eine Rebe weniger, dafür aber viel gehaltvollere Trauben.

Die Verarbeitung erfolgt in den Weinkellereien durch innovative Kellertechnik und durch das intuitive Feingefühl des Kellermeisters. Die klar herausgearbeitete Primärfrucht, wie zum Beispiel die Holundernote des Sauvignons, der Rosenduft des Gewürztraminers oder das Waldbeeraroma des Lagreins sind die Qualitätsmerkmale der Südtiroler Weine.

Neben dem Ausbau der autochthonen Sortenweine werden auch konzentrierte Gewächse mit entsprechendem Entwicklungspotential gekeltert. Diese durch eine rigorose Ertragsreduktion gekelterten Topweine reifen meist im kleinen Barrique aus französischer Eiche und auch das grosse Holzfass wird wieder verstärkt eingesetzt.

Bei der Verarbeitung der Trauben und der Vermarktung sind grundsätzlich drei Betriebsformen auszumachen. Es sind dies Kellereigenossenschaften, Weingüter und die freien Weinbauern. Alle drei Verbände haben sich zum „Konsortium Südtiroler Weine“ zusammengeschlossen und arbeiten intensiv und eng zusammen.

Der grösste Teil der Südtiroler Weine, etwa 70%, wird in den 13 Genossenschaften des Landes gekeltert.

Qualität und eine strenge Selektion sind auch die Prinzipien der Weingüter mit etwa 35 Mitgliedsbetrieben. Sie verarbeiten auch Trauben von Vertragslieferanten und stellen rund 25% der jährlichen Produktion.

Als jüngste Vereinigung gelten die freien Weinbauern Südtirols. Ihre 92 Mitglieder haben sich dem „Château-Prinzip“ verpflichtet und bringen charaktervolle und individuelle Weine, allerdings nur in kleinen Mengen von 5% der jährlichen Produktion hervor.

DOC Klassifizierung

DOC steht für die kontrollierte Ursprungsbezeichnung von Qualitätsweinen aus Italien. Im Südtirol sind seit 1975 Anbau, Erzeugung und Vermarktung der Weine unter den strengen gesetzlichen Schutz der DOC Regelung (Denominazione di Origine Controllata) gestellt. Südtiroler Landweine werden mit der geografischen Herkunftsbezeichnung IGT (Indicazione Geografica Tipica) abgefüllt. Über 98 Prozent der Südtiroler Weinfläche steht heute unter DOC Schutz. Das ist italienweit einsame Spitze.

Nur wo Südtirol drin ist darf auch Südtirol draufstehen. Ein Logo bürgt für Qualität. Das Südtirol-Signet am Kapselkopf jeder Flasche ist das gemeinsame Erkennungszeichen aller Südtiroler DOC- Weine und garantiert deren Herkunft und Qualität.

Text: Andi Spichtig

PS: Weiter Berichte über die Weine des Südtirols folgen

Fotos: Pascal Burckhardt

Schweizer Weinhändler mit Weinen aus dem Südtirol: