Erste Naturwein-Messe in Zürich
„Naturwein, vin naturel, natural wine oder orange wine“
Einführung
Das Thema Naturwein scheint auch bei uns in der Schweiz immer aktueller zu werden. Momentan noch ein Nischenprodukt mit einem Marktanteil von etwa einem Prozent könnte sich das aber rasch ändern. Es sind eben Weine, die polarisieren! Kaum ein anderer Wein spaltet so sehr die Gemüter der Weinliebhaber.
Gerade eben vor 3 Wochen besuchte ich bereits schon einmal einen von der Weinhandlung Küferweg organisierten Podiumsanlass mit Produzenten, Journalisten, Gastronomen und Weininteressierten über „Naturwein, wild und mutig“.
Immer mehr Winzerinnen und Winzer brechen mit Konventionen. Sie keltern Weiss- und Rotweine, vergraben den Saft in der Erde, verzichten auf Schwefel und füllen ihre Weine trüb ab. Allerdings überzeugt längst nicht alles, was unter „Naturwein, vin naturel, natural wine oder orange wine“ angeboten wird. Leider ist der Begriff „Naturwein“ bei uns weder klar definiert noch geschützt. So können sowohl Winzer wie auch interessierte Konsumenten selber entscheiden, was Naturwein ist. Etwas Neues ist es ja eigentlich nicht. Verzicht auf weinfremde Substanzen wie Schönungs- oder Konservierungsmittel, Spontanvergärung oder der Ausbau in Amphoren waren schon seit langem bekannt.
Als sicher gilt, dass sich in den kommenden Jahren wohl alle Weinliebhaber in irgendeiner Form mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Es ist doch so, dass sich bei Naturweinen das sehr eigene Aromen Spektrum erweitert, aber deshalb auch umso mehr erklärungsbedürftig wird.
Am Samstag 30. April und Sonntag 31. April fand in den beiden Lokalitäten „Les Halles“ und Weinhandlung Steinfels die erste Naturwein-Messe in Zürich statt. Beteiligt haben sich 47 Winzer aus der Schweiz und Europa sowie 6 Schweizer Weinhändler.
Das Kriterium einer Zulassung an die Messe war: Spontan vergorene Naturweine mit wenig oder keinem Schwefel. Rotweine unter 50mg und Weissweine unter 70 mg Sulfit. Interessant war das Lernziel, die verschiedensten Philosophien der Weinbereitung und des Anbaus der einzelnen biodynamischen Betriebe kennenzulernen. So waren dann auch Weine von trüb bis erfrischend sprudelnd und in Amphoren oder konventionell hergestellt, zu verkosten.
Verkostungsnotizen
Die Verkostung solcher Naturweine stellt auch an Konsumenten hohe Ansprüche und ist für sie meist keine Liebe auf den ersten Blick. Diese sind sich mehrheitlich gewohnt, traditionelle Tropfen zu konsumieren und sind meist auch geschmacklich festgefahren.
Die Weine riechen und schmecken selten sortentypisch. Meist sind auch mehr oder weniger starke Oxydationsnoten festzustellen. Zudem lässt sich eine Vielzahl von (vermeintlichen) Weinfehlern entdecken.
Alle Weine zu verkosten war an diesem Sonntag für mich unmöglich. Wie immer stelle ich ihnen aber trotzdem gerne eine subjektive Auswahl vor.
Biolenz Uesslingen ZH
Merum Blanc 2017
Helles Gelb. In der Nase fruchtig nach exotischen und gelben Früchten. Am Gaumen klar strukturiert, Gewürznoten, eine harmonische Verbindung von Säure und Frucht. Frischer, belebender Abgang.
16/20
Von Dorf und Iselisberg
Dunkles, leuchtendes Rubinrot. Cuvèe von pilzresistenten, interspezifischen Traubensorten und Kreuzungen. Herrlich fruchtig in der Nase. Etwas Pfeffer, Kräuter und dunkle Früchte. Am Gaumen kräftig, würzig, Kirschkompott, dunkle Schokolade, sogar etwas Vanille und Karamell. Harmonischer Abgang.
16.5/20
Muscat Bleu 2018
Dunkles Rot mit violetten Nuancen. In der Nase das typische Muskataroma, dunkle Waldbeeren, zarte Düfte nach Rosen und etwas Würze. Im Gaumen kräftig, frisch, fruchtig, mit gut eingebundenen Tanninen und einer stützenden Säure. Harmonischer Abgang.
16.5/20
Ni-Ro Wil AG
Blanc de Noir
Leuchtend helles Rosa. Fruchtige, aromatische Nase, frischer Gaumen mit einer präsenten Säure, ausgesprochen klassischer, trockener und feiner Abgang.
16.5/20
Les Amoureuses
Glänzendes Hellgelb. Cuvèe aus Blanc de Noir und Müller-Thurgau. Frische, fruchtig -würzige Nase, im Gaumen lebendig, trocken, weisse Blumen. Im Abgang mit einer stützenden Säure.
16.75/20
L’Aventuriére
Helles Gelb. Fruchtaromen und zarte Holznoten in der Nase. Fruchtiger, frischer, fülliger und trockener Auftakt. Am Gaumen komplex und körperreich. Der Abgang ist anhaltend.
16.5/20
Elfinger Pinot Noir 2014
Helles Rubinrot. Dezente Nase, fruchtig, fein, elegant. Am Gaumen Gerbstoff, fällt nicht unbedingt durch Frucht, sondern durch sein kräutriges, mineralisches und facettenreiches Bouquet auf. Finessenreicher und feiner Abgang.
16.75/20
Pinot Noir Wil 2013
Helles Rubinrot. Gut strukturierter Körper. In der Nase feinwürzig, am Gaumen trocken, mit gut eingebundenen Tanninen und einer knackigen Säure, saftig im Finish und mit einem schönen, aber minim bitteren Abgang.
16.5/20
Pinot Noir Elfingen Barrique 2013
Mittleres Rubinrot. Reife Frucht, zarte Röstnoten durch den Barrique-Ausbau, noch immer sehr jugendlich wirkend, dicht, kräftig, präsente, reife Tannine und eine gut eingebundene Säure, langanhaltend.
17/20
Stuckiwein Teuffen ZH
Mit seiner Philosophie, Naturweine aufzuspriten geht Peter Stucki sicher einen komplett anderen Weg. Da diese Methode nicht einfach in 2 Sätzen zu erklären ist, werde ich in einem speziellen, später erscheinenden Artikel ausführlich auf seine Weine und diese Methode eingehen.
Domaine de la Ville Morges
Le Morgien 2018
Leuchtendes Gelb. Chasselas, ausgebaut in der Amphore. Herrlich duftige Nase. Am Gaumen frisch, fruchtig und duftend nach weissen Blumen. Feiner, eleganter Abgang.
16.75/20
Parcelle 900 2017
Minim trübes Gelb. Traubensorte Chardonnay. Diese ist in der Nase nicht erkennbar, sondern ein für mich (vermuteter) Böxerton. Am Gaumen trinkbar, zeigt etwas Frucht und wirkt elegant im Abgang.
15/20
Parcelle 902 Grand Joulens 2017
Leicht trübes Orange. 60% Cuvèe aus Orange-Wein (Pinot Gris?) und ungeschwefeltem Chardonnay. Ganz spezieller, für einen Orangewein typischer Abgang.
15.75/20
Parcelle 976 2017
Helles Rubinrot. Traubensorte Gamay. Ganz interessante, typische Gamaynote in der Nase. Fruchtig, fein, elegant. Herb und mit zartem Gerbstoff im Abgang.
16.5/20
Château L‘Evêque Jussy GE
Für mich eine der wirklich interessantesten neuen Adressen. Absolut geiles Preis-Leistungsverhältnis.
Chasselas « Les Lavandes » 2018
Helles Gelb. Dieser Wein wird in Betoneiern ausgebaut. Düfte nach frischen gelben Früchten, Beeren und Blumen. Am Gaumen eine belebende Säure. Kräftiger, terroirbetonter Abgang.
17/20
Sauvignon Gris « Lullier »2018.
Helles Goldgelb. Unglaublich kräftige Frucht- und Gewürznoten. Etwas Honigmelone, Aprikose, Quitte und etwas Pfeffer. Am Gaumen eine fruchtige Säure und eine zarte Tanninstruktur. Im trockenen Abgang frisch, stoffig und mit einem minimen Salzton.
17/20
Gewürztraminer « Le Petit Lullier » 2018
Leuchtendes Goldgelb. In der Nase intensiv aromatisch, bouquetbetont, mit Aromen von Rosen, Grapefruit. Mango und Gewürzen. Am restsüssen, kräftigen Gaumen feine Blüten, etwas Honig und wieder diese Gewürze. Im Abgang mit einer cremigen Struktur und einer minimen Bitterkeit.
17/20
Cabernet Jura «Séléné» 2018
Dunkles Kirschrot mit violetten Reflexen. Eine finessenreiche Struktur. In der Nase intensive Aromen nach schwarzen Beeren wie Holunder und Cassis, exotische Früchte wie Blutorangen und Rosen. Am weichen Gaumen harmonisch, mit einer gut eingebundenen Säure und feinen Tanninen. Dichter, fülliger Abgang.
17/20
Pinot Noir « Le Petit Lullier» 2017
Dunkles Kirschrot. Intensives, schwarzbeeriges Bouquet, fruchtig-süss, frisch und intensiv. Am kraftvollen Gaumen weich, trocken und mit einer schönen Mineralität. Der Abgang ist minim bitter, duftig und feingliedrig.
16.5/20
Gamay « Les Bornaches » 2017
Helles Rubinrot mit violetten Nuancen. In der Nase rote Kirschen und Pfingstrosen. Am Gaumen fruchtig, rund und verführerisch. Der Abgang ist säurebetont, gefällig, erfrischend und süffig.
16.25/20
Gamaret «Lullier» 2018
Dunkles, sattes Rubinrot, fast schon tintig. In der robusten Nase reife, schwarze Kirschen, Holunderbeeren, Brombeeren, Zwetschgen und eine ausgeprägte Würzigkeit. Am Gaumen feinkörnige Tannine, Etwas Kaffee, süsser, heller Tabak und schwarzer Pfeffer. Aromatischer, tiefer, komplexer und geschmeidiger Abgang.
17/20
Wannaz Chenaux/Cully VD
Blanc de filles 2017
Helles Gelb. Dezente Frucht in der Nase nach reifen Birnen und Aprikosen, auch etwas Melone, Lindenblüten und herb-frische, grüne Noten. Fruchtbetonter, intensiver Gaumen, ausdrucksstark und ausgewogen. Ordentliches Finale.
16.25/20
Plexus 2017
Helles Gelb. Cuvèe aus Pinot Blanc & Gris, Arvine, Marsanne und Sylvaner. In der Nase herrlich fruchtig nach exotischen und gelben Früchten, sanft ergänzt durch florale Noten. Am Gaumen kräftig, fein, elegant, mit einer leichten Salznote und minimer Restsüsse. Fruchtbetonter, vollmundiger, cremiger, fast exotischer Abgang.
17/20
Dézaley Grand Cru 2017
Leuchtendes Gelb. Schöner Auftakt. Dominante mineralische Noten, Lindenblüten, frisches Brot und reife gelbe Früchte in der Nase. Am Gaumen kräftig, Feuerstein, Kreide, und wieder die blumigen Aromen. Geschmeidiger, gut ausbalancierter, vollmundiger Abgang.
17.25/20
Rouge de Terre 2017
Helles Rubinrot. Cuvèe aus Diolinoir, Merlot und Cabernet Sauvignon. In der Nase fruchtig, schwarze Früchte und Beeren, etwas Würze. Am Gaumen kräftig, vollmundig, mit runden Tanninen und einer passenden Säure versehen. Vielschichtiger, eleganter und nachhaltiger Abgang.
16.75/20
Cru de l’Hôpital, Môtier, Vully
Chasselas Vully AOC 2017
Helles Gelb. Fruchtige Nase nach reifen Äpfeln, Eisbonbon und Mineralität. Am fruchtigen Gaumen leicht, spritzig und säurebetont. Facettenreicher, gut ausbalancierter, würziger und mineralischer Abgang.
16.25/20
Pinot Gris
Leuchtendes Gelb. Straffe Struktur. In der Nase diskret fruchtig nach Butterbirne, getrockneten Früchten und Pfirsich. Im Gaumen mit reichhaltigem Geschmack und nachhaltigen Aromen. Eine angenehme Säurestruktur. Im Abgang ordentlich anhaltend.
16.25/20
Réserve des Bourgeois 2016
Leuchtendes Rubinrot. Gewöhnungsbedürftiger Pinot Noir. Vielleicht auch herstammend von der Charakteristik des Klons «Mariafeld». In der Nase eine Mischung aus roten und schwarzen Früchten und einem würzigen Bouquet. Am rustikalen Gaumen kräftig, leicht medizinal, Tabak, Waldboden, mit momentan noch austrocknenden Tanninen und einer etwas spitzen Säure. Langanhaltender Abgang mit grossem Potential.
17.75/20
Weingut Ploder-Rosenberg Österreich
Fundamentalbereich
Morillon
Goldgelb, verhaltene, eigenständige, sortentypische Aromatik. In der Nase floral, etwas reife Banane, gelber Apfel. Am Gaumen würzig, kräftig, elegant und dicht. Lässt die Frucht noch eine ganze Weile stehen. Geschmeidiger Stil und ein ordentlicher, aber nicht betörender Abgang.
16.5/20
Sauvignon Blanc
Helles Goldgelb. Intensive Aromen nach tropischen, reifen Früchten, etwas Stachelbeere und Holunderblüten. Am Gaumen mit einer ausgeglichenen Säure, wirkt cremig und frisch. Der vollmundige Abgang ist lang und ein kleines Gaumenerlebnis.
16.5/20
Premiumbereich
Linea Chardonnay
Goldgelb. In der verhaltenen Nase mit einem eigenen Stil. Die Frucht wird vielleicht etwas vom allerdings dezenten Holz verdrängt. Setzt sich aber von den verbreiteten Holzbomben wohltuend ab. Wirkt filigran und doch vielschichtig. Am Gaumen etwas Kern- und Steinobst, mit einer guten Säurestruktur, einer dezenten Bitterkeit und einem frischen Fruchtbouquet. Schöner fruchtiger Abgang.
16.75/20
Linea Sauvignon Blanc
Goldgelb. Herrliche Fruchtaromen nach reifer Ananas, reifen Quitten und Würzaromen. Am Gaumen kräftig, komplex, fruchtig und trinkig. Mit einer straffen Säure und würzigen Noten. Frisch geschnittenes Gras. Eine schöne Mineralität und ein anhaltender Abgang.
16.75/20
Linea Blauer Zweigelt Reserve
Rubinrot mit kräftigen violetten Nuancen. Sauerkirschen, Wacholder, rote Beeren und einer zarten Würze in der Nase. Am Gaumen ein ausdrucksvolles Bouquet, eine milde Säure, dezente, feine Tannine, sauber und gradlinig. Ordentlicher Abgang. Einfach gestrickt aber nicht banal.
16/20
Premiumbereich Reserve
Blanca, Basis Orangewein
Helles, glänzendes Orangerot, dezenter Wasserrand. Exotische und würzig-vegetabile Noten in der Nase. Duft nach Rosmarin und Anis, etwas Bouillon und einem animalischen Hauch. Am Gaumen kräftig, wohlschmeckend, mit einem eigenständigen, harmonischen Abgang.
17/20
Tero, Essenz aus Amphoren
Karminrot. In der Nase erdig, etwas Waldmeister, Gewürze, Orangenblüten und Bienenwachs. Am Gaumen kräftig, mit dezenten Gerbstoffen, einer schönen Vielschichtigkeit, reife bis überreife Früchte, herb und nussig. Schöner, knochentrockener Abgang.
17/20
Aero, Essenz aus Amphoren
Orange mit goldenen Nuancen. Extrem spannende und für diese Stilistik absolut reintönige Nase. Vielschichtig und komplex, mit vegetabil-kräutigen Noten, dezente gelbe Früchte wie Quitte und Aprikose, etwas Brennnessel, Tabak und Rosenblättern. Knochentrockener, markanter Abgang.
17/20
Cotar Komen Slowenien
War leider nicht an der Veranstaltung.
Gvymarani Tiflis, Georgien
Bernsteinwein «Mtsvane»
Bernsteinfarbig. Wird aus der georgischen Traubensorte Mtsvane in Qvevris ausgebaut. Gemäss der Weinmakerin Yulia Zhdanova reift der Wein 12 Monate in den Tongefässen. Abgefüllt wurden 1200 Flaschen. In der Nase fruchtig, fein, elegant. Am Gaumen leicht nussig, herb, mineralisch.
17.5/20
Nachtrag
Es ist wirklich löblich, dass sich die Firma Steinfels mit einigen anderen Importeuren dazu entschieden hat, eine solche Messe auf die Beine zu stellen. Eine kleine Kritik möchte ich hier allerdings doch noch anbringen. Von solch erfahrenen Veranstaltern hätte ich erwartet, dass sie die Verkostung dieser doch ganz speziellen Weine mindestens getrennt und nicht in einem voll funktionierenden Restaurant mit Bar durchführen. Die verschiedensten Geschmäcker, von Frittaten, Pizzen, Antipasti, Käse und Suppen haben meine Geschmacksnerven arg strapaziert. Weiter war es mehr als schwierig, in diesen Räumen die jeweiligen Winzer und ihre Weine überhaupt zu finden.
Andi Spichtig
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Ich war mit Andi zusammen an der Messe und für mich hat die Lokation gestimmt. Von den Weinen war ich bis auf ein paar wenige eher positive überrascht. Neben ein paar Weinen mit Weinfehler (Böckser etc.) war das mehr Geschmacksache. Die Weine riechen und schmecken anders als herkömmliche Weine. Man muss sie ja nicht mit herkömmlichen Weinen vergleichen, sondern sie als was neues entdeckten.
Pascal Burckhardt