Hauksson Weine degustieren im Lifestream

Eine neue Idee, den Lockdown doch etwas schneller zu überwinden.

«Social Distancing» ist jetzt in aller Munde. Doch der Begriff der «Sozialen Distanz» irritiert und ist irreführend. Natürlich müssen wir uns nicht sozial distanzieren. Wir sollten uns nur körperlich und räumlich distanzieren. Es gilt möglichst zu Hause zu bleiben. Zwei Meter Mindestabstand bei physischen Begegnungen ist die Regel. Für viele Menschen bedeutet diese verordnete physische Distanz aber automatisch auch weniger soziale Kontakte, weniger Nähe und damit eben doch auch soziale Distanz.

Gerade für «junggebliebene» Menschen wie ich, die es gewohnt sind, meist persönlich an Weinveranstaltungen mit dabei zu sein und sich nicht so leicht im Internet bewegen, ist die Idee von Hauksson Weine in Rüfenacht in Zeiten des Coronavirus eine andere, neue Art, interessante Spezialitäten des Winzers kennenzulernen.

Dazu schrieb er am 25. April 2020 eine interaktive Release Party im Live-Stream aus. Interessenten bestellten ein Degu-Kit mit 6 Flaschen seiner Weine zum Preis von CHF 150 inklusive Lieferung nach Hause. Am 25. April um 18 Uhr schalteten sich diese Teilnehmer dann online bei Hauksson auf. Es wurde gemeinsam verkostet und man hatte die Gelegenheit, im Chat an die Beteiligten und Hauksson selbst Fragen zu stellen oder persönliche Kommentare abzugeben und somit interaktiv mit dabei zu sein.

Hoss Hauksson

Geboren in Reykjavik, Quereinsteiger und wohl immer noch einziger Isländer Winzer. 20 Jahre lang hat der Mathematiker und Doktor der Philosophie sein Geld in Island, London und in der Schweizer Finanzbranche verdient. Im Frühling 2017 wagte er den Schritt in die Selbständigkeit als Weinbauer und Winzer. Er besitzt 6 Hektaren Weinberge in Remigen mit den Parzellen Rütiberg, Alpberg und Horn. Ferner eine in Döttingen und zu guter Letzt bewirtschaftet er noch eine Parzelle in Gordemo TI. Auffallend dabei ist vor allem das stolze Alter der verschiedenen Reben von 20 bis 100 Jahren. Die Rebberge sind meist südlich exponiert und profitieren so von einem sehr trockenen Klima. Hoss ist der Meinung, dass es der überzeugendste Weg ist, authentische und terroirtreue Weine zu keltern. Deshalb bewirtschaftet er seine Weinberge seit 2018 nach biodynamisch-organischen Richtlinien. Ihm ist es wichtig, mit dem Land respektvoll umzugehen und in Harmonie mit der Natur zu arbeiten. Seine Methoden sind eigenständig, neu und bringen uns Typizitäten näher, an die man sich noch etwas gewöhnen muss. Alle seine Weine reifen in den Betriebsgebäuden seiner Kellerei in Rüfenach.

Verkostungsnotizen

Ich habe drei seiner Weissweine verkostet und wir lassen für einmal unseren vorformatierten Gaumen etwas auf der Seite. Zum Beispiel wird Sauvignon Blanc, den man ohne Schalenkontakt vinifiziert stets anders schmecken als ein Sauvignon Blanc, der ein paar Wochen, oder, wie in unserem Fall, ein Jahr auf der Maische bleibt. Ein sogenannter «skin-contact wine». So erhält er die orange Farbe und seinen Namen. Ferner verfügen Weine, welche mit Naturhefen vergoren und nicht geschönt werden, über eine eigene Stilistik.

Hier meine Beurteilung.

Sauvignon Blanc 2018, AOC Aargau, Döttingen

Die Trauben wurden handgeerntet, 2 Wochen Maischegärung auf den Häuten und 1 Jahr lang ausgebaut im Akazienfass. Filtriert, aber nicht geschönt. Leuchtendes Goldgelb mit orangen Nuancen. Etwas Zurückhaltung am Anfang ist angesagt, denn der Wein entwickelt sich über Minuten im Glas. Riecht unglaublich fruchtig nach getrockneten exotischen Früchten, reifem Steinobst, etwas Honig, ergänzt durch nussige und würzige Aromen, überrascht mit ein paar Blütennoten wie getrocknete Kamille. Am Gaumen wuchtig, straff konturiert, fein ausbalanciert, weich und rund im Mund, ich vermisse etwas die Spritzigkeit, aber die Tannine sind wunderbar eingebunden. Im langen Abgang mit einer cremigen Struktur und einer minimen Bitterkeit. Das Ganze ist hochinteressant und ein wirklicher Genuss für aufgeschlossene Weintrinker.

17.5/20

Kerner » Horn» 2019, AOC Aargau

Zwei Wochen Maischegärung, 3 Monate im Akazienholz. Wurde nicht filtriert und geschönt! Minim trübes Goldgelb mit orangen Nuancen. Nach einer halben Stunde geöffnet im Glas und etwas Zimmertemperatur kommt eine dezent fruchtige Nase zum Tragen, Düfte nach Birnen und Äpfeln, etwas Lindenblüten und ein mineralisches Bouquet. Schlanker Körper und leicht reduktives Bouquet. Ist momentan in den Flegeljahren, hat eine etwas spitze Säure und noch ungehobelte Gerbstoffe. Herber, trockener, frischer Abgang. Legt sicher noch zu.

16.75 /20

Pinot Gris «Im Lee» 2019, AOC Aargau

Zwei Wochen Maischegärung auf den Schalen und im Stahltank ausgebaut. Nicht filtriert und nicht geschönt. Lachsfarbig, frisch, dezent fruchtig, Apfelschale, etwas Honig, Eisbonbon, Lindenblütentee, mineralisch, erinnert an Kreide und wirkt etwas erdig. Schon sehr gut strukturiert. Am kompakten Gaumen kräftig, dezent fruchtig, mit einer veritablen Säure- und Tanninstruktur. Herber, aromatischer, minim bitterer und langer Abgang. In einem Jahr entwickelt er sich wohl zu einem wirklich ausdrucksstarken Wein.

17/20

 

Nachtrag

Nicht ganz klar, oder auf jeden Fall für mich erklärungsbedürftig ist die Tatsache, dass Hoss seine Weine mit Kunststoffkorken verschiesst. Dazu habe ich mich bei ihm erkundigt. Hier seine Antwort:

«Bezüglich dem Verschluss:  Der Nomacorc ist oenologisch um einiges besser als Naturkork (kein TCA, präzise Sauerstoff-Zufuhr, allgemein wenigere Probleme). Der wird auf Zuckerrohrbasis gemacht. Ich könnte mir Drehverschluss für die Weissweine und Orange Weine vorstellen, muss dann vermutlich dem Wein vor der Abfüllung mehr Sauerstoff zuführen. Für die Rotweine ist Drehverschluss aber keine Option. Naturkork wäre am letzten Platz».

Andi Spichtig

Bezugsquelle & Fotos von: haukssonwine.com