Südtirol Wine Summit 2019

Pressereise Südtirol Wine Summit 2019 von 5. – 8. September 2019

Einführung

Ich habe mich in den letzten Jahren in verschiedenen Südtirol-Artikeln ausführlich über die Geschichte, Land und Leute, Weinbau in Zahlen, Klima und Topografie, Geologie der Böden, die 7 Weinbauzonen oder die 7 starken Charakter, die einzigartige Sortenvielfalt und die autochthonen Sorten, den eigenen Stil wie Anbau, Vinifikation, Organisation und Vertrieb und last but not least über die DOC Klassifizierung ausgelassen. Aus diesen Gründen konzentriere ich mich hier ausschliesslich auf die Anlässe der 4 Tage unter dem Motto «Südtirol Wine Summit 2019 von 5. bis 8. September 2019».

Donnerstag 5. September 2019

Die Reise begann beim Carparkplatz am Sihlquai in Zürich zu unserem Zielort Bozen im Südtirol. Es ergab sich die Gelegenheit, im Vorfeld zum Südtirol Wine Summit noch eine Veranstaltung zu besuchen, welche unabhängig davon von Südtiroler Produzenten organisiert wurde. Dieser Anlass war die Vergleichsdegustation „Cortaccia Rossa- International Comparison Merlot, Cabernet Franc and Cabernet Sauvignon“, welche an diesem Tag bereits um 14.30 Uhr im Felsenkeller der Laimburg in Auer stattfand. Die Produzenten Dipoli, Tiefenbrunner, Kurtatsch und Baron Wittmann präsentierten in 4 Flights jeweils ihre roten Spezialitäten aus den Sorten Merlot und Cabernet und verglichen diese mit jeweils 3 Weltklasseweinen aus Frankreich und anderen Weinregionen von Italien. Ich fasse diese Blindverkostung kurz zusammen und muss allerdings zugeben, dass ich nicht ganz so grosszügig mit der Punktvergabe war. Dies aus einem ganz einfachen Grund: Ich mag Weine überhaupt nicht, wenn sie nach grünen Peperoni riechen oder schmecken. In () die durchschnittlich erreichten Punkte aller Teilnehmer und fett der jeweilige Sieger des Flights.

Flight 1

Camarcanda 2016 (88.4), Frauenriegel 2016 (89.3), Canon La Gaffelière 2016 (87) und Oreno 2016 (87).

Flight 2

Guado al Tasso 2016 (90), Auhof 2016 (88.9), La Chapelle de la Maison Haut-Brion 2016 (88.2) und Cabernet Sauvignon Isole e Olena 2016 (89.1)

Flight 3

Darmagi 2016 (90), Sassicaia 2016 (87.5), Freienfeld Riserva 2016(89.8) und Cos d’Estournel 2016 (89.6)

Flight 4

Vigna Toren Riserva 2015 (90), Château Pichon Lonqueville Baron 2015 (90.3), San Leonardo 2015(88) und Sassicaia 2015 (89.4).

Dieser Abstecher hat sich gelohnt. Selten bekommt man in so kurzer Zeit eine derartige Vielfalt von absoluten Weltklasseweinen zum verkosten und vergleichen. Ein herzlicher Dank gebührt den 4 Produzenten.

Das Hotel Laurin, www.laurin.it in Bozen war unser Domizil für die nächsten 4 Tage.

Nach einem 15-minütigen Fussmarsch trafen wir am Abend im Schloss Maretsch zum ersten Mal alle etwa 150 Teilnehmer dieses Wein-Summits aus der ganzen Welt zu einem erfrischenden Aperitif. Das Welcome Dinner war organisatorisch so gelöst, dass an etwa 15 Tischen je 8 bis 10 Teilnehmer von einem der Starwinzer aus dem Südtirol betreut wurden. Neben meinen Journalistenkollegen aus der Schweiz nahmen an unserem Tisch auch noch zwei Journalisten, welche für Falstaff Italien schreiben und unser Tischherr, Hans Rottensteiner Platz. Dieser führte auch durch den Abend und begleitete die aufgefahrenen Speisen mit seinen Weinen. Gekocht wurden diese von zwei Südtiroler Starköchen. Für die Vorspeise, ein Tatar vom hauseigenen Saibling mit Krenmousse und eingelegten Radieschen und für das Dessert, eine Himbeerdelize mit marinierten Waldfrüchten und Waldmeistergelee war Herbert Hintner vom Restaurant zur Rose aus St. Michael-Eppan zuständig. Die beiden Mittelgänge, einerseits Risotto, Knoblauch, Ochsenschwanz, dehydrierter Blauschimmel, Schwarzbrot, wilder Kohl und anderseits Reh, Artischocke, Eukalyptus, Pinienkerne, Taggiasca-Oliven und Pecorino kreierte der junge Manuel Ebner vom Restaurant 1524 Ansitz-Rungghof. Es war ein Klassemenü auf hohem Niveau mit perfekt abgestimmten, edlen Weinen.

Mit einem Absacker in der Hotelbar endete dieser Tag.

Freitag 6. September 2019

Contrast Meets Harmony

 

Am nächsten Morgen trafen wir im NOI Techpark in Bozen Süd ein. Das 12 Hektar grosse Areal einer ehemaligen Aluminiumfabrik (Alumex) ist der Motor für Südtirols wirtschaftliche Entwicklung und bündelt die Innovationskraft des Landes, konzentriert Forschung und generiert innovatives Know-how. Unter dem Motto «Kontraste im Südtiroler Weinbau» waren drei sehr interessante Impulsvorträge angesagt.

  1. Extrem normal. Klima und Klimawandel im Südtiroler Weinbau. Dozent Dr. Georg Niedrist vom Institut für alpine Umwelt.
  2. Ein komplexes Puzzle. Geografie und Geologie in Südtirol. Dozent Dr. Carlo Ferretti, Forscher.
  3. Südtirol, ein Seismograph im Fadenkreuz europäischer Kunst. Dozent Dr. Leo Andergassen vom Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte.

Nach der Kaffeepause wurden an einer Podiumsdiskussion mit lokalen Forschern und Winzern, internationalen Journalisten und einem Star-Restaurateur die präsentierten Vorträge noch vertieft und interessierte Zuhörer konnten dazu Fragen stellen.

Innovation Meets Tradition

 

Eine herausragende Möglichkeit, die zum Zeitpunkt der Veranstaltung noch nicht im Verkauf befindlichen Südtiroler Weine besser kennenzulernen und vor allem mit den Winzern ins Gespräch zu kommen bot sich im Anschluss an den Lunch an der Anteprima. Mehr als 50 Hersteller waren anwesend und stellten dort an ihren Tischen die neuen Weine vor.

Ich nutzte zudem die Möglichkeit, in einem separaten Saal gezielt Weine alleine und in Ruhe zu verkosten. Dazu stellte der Veranstalter eine Liste mit allen Weinen zur Verfügung und einheimische Sommeliers servierten die angekreuzten, zu beurteilenden Muster.

Alpine Freshness Meets Italian Elegance

 

Im Anschluss an die Veranstaltung hatten wir kurz Gelegenheit, uns im Hotel frisch

zu machen und umzuziehen. Ein Sternekoch Dinner mit passender Weinbegleitung im Garten des Parkhotel Laurin war angesagt. An fünf Stationen präsentierten Küchenchef Manuel Astudo vom Hotel Laurin und der mit 3 Sternen Michelin ausgezeichnete Norbert Niederkofler hervorragend gekochte und angerichtete Speisen.

Gestartet wurde mit zwei Finger-Food Tellerchen, auf denen sich einerseits eine kalte Eierlikör-Parmigiana Praline und anderseits eine Essenz aus lokalen Tomaten und einem kleinen «Pustertaler Tirtel» befanden. An der ersten Station bediente man sich mit einem wunderschön angerichteten, weissen Fischtatar. Es folgte an Station zwei ein Risotto und Graukäse, weiter gings an Station drei mit einer Kalbszunge und Preiselbeeren, gefolgt von Station vier mit Lamb chops und abgeschlossen an Station fünf mit Kiefer-Marshmallows. Dazu genossen die Teilnehmer einen Spumante Brut der Cantia Produttori San Paolo und Weine von Manincor, Cantina Kaltern, Tiefenbrunner, Lageder und Cantina Girlan.

Samstag 7. September 2019

 

Terroir Meets Passion

 

An diesem Tag trafen sich alle etwa 150 Teilnehmer des Südtirol Wine Summits in der neu gebauten Kellerei Bozen zu einem (meinem) Höhepunkt der diversen Veranstaltungen. Es stand eine Weinbergtour mit Besichtigung von Weingütern in den Kerngebieten der sechs Südtiroler Leitsorten (Weissburgunder, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer, Vernatsch, Blauburgunder und Lagrein) auf dem Programm. Jeder Teilnehmer bekam die Gelegenheit, sich intensiv mit einer für ihn interessanten Sorte auseinanderzusetzen. Der Fokus lag dabei auf den kontrastreichen Facetten der einzelnen Leitsorten und Gebiete. Mein Entschluss stand bereits vorab fest, mich mit der Sorte Lagrein zu beschäftigen.

Lagrein, Leib- und Magenwein der Südtirol-Fans

Die rote Rebsorte Lagrein symbolisiert die ursprüngliche Weinlandschaft des Südtirols und des südlichen Trentinos, woher sie scheinbar auch stammt, nämlich aus Vallagarina oder deutsch, aus dem Lagertal. Schriftlich erwähnt wurde der Anbau dieser Sorte erstmals im Jahr 1525, doch vermutlich wurde der Lagrein schon Jahrhunderte vorher in der Region kultiviert.

Lange unterschätzt, momentan der Trendwein und ursprünglich fast ausschliesslich im Talboden von Bozen-Gries und mit zunehmender Beliebtheit heute aber auch im Unterland, im Überetsch und im Etschtal angebaut. So umfasst die Gesamtanbaufläche dieser edlen, autochthonen Traubensorte Südtirols gerade einmal 500 Hektaren. Im Jahre 2004 wurde erstmals die nahe Verwandtschaft der Traubensorte Lagrein mit Teroldego und Marzemino festgestellt.

Lagrein wird nach der Gärung mit der Maische im Edelstahltank für mehrere Monate in einem grossen Eichenholzfass gelagert. Hier bekommt er seine endgültige Fülle. Die edle Sorte liebt das mediterrane Klima. Der Boden sollte optimalerweise aus lehmhaltigen Schuttablagerungen, Sand, Kies oder dem Bozner Porphyr bestehen. Die Trauben werden im traditionellen Pergel System zur Reife gebracht. Bei diesem Vorgehen werden senkrecht im Boden befestigte Pfosten mit waagerechten Stangen oder straff gezogenen Drähten verbunden. Das Dach ist dabei der Steigung sowie der Sonneneinstrahlung angepasst, sodass die Reben horizontal an diesem Dach heranwachsen können. Diese traditionelle Weinbaumethode geht jedoch mit einer zeitintensiven Arbeit und hohen Kosten einher, weshalb viele Winzer aus dem Südtirol mittlerweile zu anderweitigen Methoden wie Drahtrahmen (Guyot-System) greifen.

Aus den Trauben entstehen Rosè (Lagrein Kretzer) und hervorragende Rotweine. Lagrein hat eine sehr dunkle Farbe, die an Rubine erinnert. Er duftet nach Veilchen, Kirschen und Brombeeren und hat einen samtigen Geschmack. Man schmeckt Tannine und am Schluss erkennt man manchmal noch eine feine Nuance von Bitterschokolade. So gewinnt er an Profil, an geschmacklicher Breite und Tiefe. Lagrein Weine von höchster Qualität eignen sich zudem vorzüglich für den Ausbau in kleinen Eichenfässern. Genossen wird diese seltene Sorte gerne zu Wild und kräftigen Fleischgerichten wie Braten. Auch Hartkäse wird zu dem vollmundigen Wein serviert.

Als sehr interessierter und bekennender Fan von gereiften Weinen war ich natürlich mächtig gespannt auf die anschliessende Verkostung von besonderen, zum Teil auch älteren Jahrgängen der anwesenden Weingüter, der Kellerei Bozen, Weingut Eberlehof, Zisser, Weingut Egger-Ramer, Weingut Griesbauerhof, Weingut/Klosterkellerei Muri Gries, Weingut Hans Rottensteiner und dem Untermoserhof. Ein hervorragender Lunch unter den traditionellen Pergeln im Weinberg des Weingutes Griesbauerhof beschloss diesen interessanten Morgen.

Es folgte die Rückreise zur Kellerei Bozen und die Dislokation zur Talstation der Seilbahn Seceda in Ortisei/St. Ulrich.

Mountain Meets Valley

 

Auf 2’400 m ü. M. verkostete die ganze Gruppe auf der Sofie Hütte verschiedene Weine von extra angereisten Spitzenwinzern aus unterschiedlichen Höhenlagen. Das zusätzlich versprochene, einmalige Panorama auf die Dolomiten konnten wir uns leider nur vorstellen. Anschliessend das «Dinner in the Dolomites» auf der Sofie Hütte. Serviert wurden typische Südtiroler Speisen und natürlich die dazu passenden Weine. Immer persönlich vorgestellt von den engagierten Winzern. Spätabends folgte die Rückfahrt mit Seilbahn und Bus zum Hotel.

Sonntag 8. September 2019

 

Altitude Meets Bubbles

 

Der geplante Fussmarsch zur Rittner Bahn fiel leider wegen starkem Regen im wahrsten Sinne ins Wasser und so transportierte unser Bus die keine Schweizer Gruppe zur Talstation. Angesagt war ein Brunch im Gloriette Guesthouse in Oberbozen. Dazu verkostet wurden ausschliesslich Sekte der bekanntesten Südtiroler Erzeuger. Diskret geführte Gespräche bei Sekterzeugern an den Vortagen dieser Veranstaltung brachten es mit sich, dass diese zusätzlich zum angebotenen Sortiment weitere, teilweise wunderbar gereifte Sekte präsentierten.

Nun war die Rückreise in die Schweiz angesagt. Nicht eingeplant war der starke Wintereinbruch, der den Bus mit 10 cm Neuschnee zur vorsichtigen Fahrt über den Brenner zwang. Um 19 Uhr trafen wir wieder in Zürich ein.

Andi Spichtig

Photographer: Michael Mair am Tinkhof, MINT MEDIAHOUSE