Winzerportrait: Peter Stucki, ein Weltverbesserer?

«rein, Natur, befreit von allem».

Peter Stucki, ein Weltverbesserer?

Das erste Mal aufgefallen ist mir Peter Stucki am Naturweintag „Wild und Mutig“ im Kulturlokal Konservi der Weinhandlung am Küferweg in Seon. Unter dem Motto «Naturweine im Gespräch“ trafen sich dort Produzenten, Gastronomen, Journalisten und Weininteressierte zu einem Gedankenaustausch. Im Rahmen eines Podiumsgespräches mit renommierten Teilnehmern unter Leitung von Stefan Keller wurde über Naturwein, vin naturel, Natural wine oder Orange wine diskutiert. Peter Stucki war eigentlich als Winzer, der seine Weine präsentiert, eingeladen. Doch er konnte es sich nicht verkneifen, ganz nahe an die Podiumsteilnehmer heranzugehen, diese zu unterbrechen und immer wieder mit Fragen zu löchern. Leidenschaft pur!

Das zweite Mal ist mir Peter Stucki 14 Tage später an der Naturwein Messe Zürich West begegnet. Nun hatte ich, so glaubte ich das anfangs, Zeit, mich mit ihm und seinen Weinen auseinanderzusetzen. In seiner typischen, einnehmenden und engagierten Art wollte er mir in kürzester Zeit seine Philosophie und die neusten Weinbereitungstechniken erklären. So musste ich rasch einsehen, dass ich hier mit meinem bereits geplanten Artikel keine Chance hatte, seine Art der Weinbereitung auch nur annähernd zu beschreiben. Er geht komplett neue Wege und sein Denken entspricht in keiner Weise einem normalen Winzer.

Aus diesem Grund habe ich ihm versprochen, dass ich in einem separaten Artikel ausführlich auf das Weingut, ihn und seine Weine eingehen werde.

Dass der eigenwillige Peter Stucki alles anders macht als alle anderen war mir bereits auf dem Weg nach Teufen bei Freienstein im Zürcher Unterland klar. Der kleine Familienbetrieb mit 3 Hektaren Reben wird nach den Grundlagen der Permakultur und der Biodynamik geführt und trägt seine Handschrift. Er grenzt sich auch ganz bewusst von herrschenden Lehren ab und hat den Mut, sich von der Schulweisheit zu befreien. Peter versucht gar nicht erst, mehr Aufwand zu betreiben als nötig, um seine Produktionsziele zu erreichen. Er lässt die Natur arbeiten und holt so das Optimum für alle Beteiligten heraus. Die Reben wurden 2013 auf Naturwuchs umgestellt und man lässt diese mehr oder weniger wild und frei wachsen. Sie bilden durch dieses System sehr viel Laubmasse und beschatten somit den Boden darunter, was ebenfalls zu weniger Wuchs führt. So verteilt man die Arbeiten im Rebberg übers ganze Jahr und erreicht durch diese minimale Regulierung der Trauben mehr Geschmack und Aromatik. Gemulcht wird nur minimal und unter den Rebstöcken mäht Peter von Hand mit der Sense. Somit erreicht er eine vielfältige Flora und Fauna, welche sich selbst reguliert. Seine Weine aus 10 verschiedenen Rebsorten baut er alle in Eichenfässern in seiner einzigartigen, eigenen Kellerei aus. Weiter kaufte er sich einen Brennhafen, um seine eigenen Destillate zu erzeugen und einen Teil seiner Weine damit aufzuspriten, so wie man es aus dem Portweingebiet kennt.

So treffen wir uns in seinem Haus in Teufen. Auf meine erste Frage, was es denn nun mit «Puur und aufspriten» auf sich hat erklärt er mir das ausführlich:

«Puur» meint «rein, Natur, befreit von allem». Hier erwähnt Peter auch, dass er mit Demeter angefangen hat, sich aber dann vor lauter Administration und zusätzlichem Aufwand nicht mehr wohl fühlte. Ferner sind ihm die Worte «Bio oder Biodynamik» einfach viel zu extrem. Er will keine Regeln oder Veränderungen. Das hilft ihm, genau diese Weine zu machen, welche ihm vorschweben.

«Aufspriten» definiert er so, «mit einer unkonventionellen Methode die Haltbarkeit und die Qualität der Weine zum Beispiel durch die Förderung von Gerbstoffen oder durch Alkohol stützen. So kann unter anderem Schwefel ersetzt werden». Das bedingt, dass ein solches Produkt Zeit braucht und sich im Verlaufe dieser Zeit auch immer wieder verändert. Demzufolge muss es überwacht und kontrolliert werden. Erst dann wird es abgefüllt.

Ein weiteres von ihm angesprochenes Kapitel sind PIWI Sorten. Mit diesen befasse auch ich mich seit längerer Zeit. Die Vorschriften und die Gesetzgebung über die (nicht) Zulassung dieser Sorten ärgern ihn. Er will weg von europäischen Sorten, welche immer noch massiv gespritzt werden müssen, zu nota bene vor allem von Schweizer Rebzüchtern wie Valentin Blattner neu auf den Markt gebrachten PIWI Sorten. In einigen der letzten von mir erschienenen Berichte habe ich auf die absolute Topqualität solcher Sorten hingewiesen und diese auch beschrieben. Es gibt demzufolge bei Naturweinen kein «besser oder schlechter», sondern nur «etwas anderes». Angesprochen werden sollen in erster Linie junge, interessierte Konsumenten, welche noch nicht im Fahrwasser der konventionellen Weine mitschwimmen oder nur auf Etiketten schauen. Diese Generation ist für neue, innovative Ideen immer zu haben. Vorausgesetzt natürlich, dass diese neu kreierten Weine eine ansprechende Aromatik besitzen und sich so gut verkaufen lassen.

Peter Stucki führt in seinem Sortiment auch klassische Rot-Rose-Weiss und Schaumweine. Ich konzentriere mich bei meinen Verkostungsnotizen ausschliesslich auf seine Naturweine.

Verkostungsnotizen:

Wiisse Puur 2014

Leuchtendes Lachsrosa. Traubensorten Federweiss Pinot Noir, Pinot Gris, Bronner und Johanniter. Teilweise angetrocknete Beeren. In der erstaunlich reintönigen Nase minim röstig, brotig, fruchtig, fein. Am Gaumen praktisch ohne Oxydationsnoten, etwas Waldmeister, Lindenblüten, angenehm trocken, mit gut eingebundener Gerbsäure und Alkohol, überraschend jugendlichem Auftritt. Angenehmer, langer Abgang.

17/20  14,7% vol. CHF 18

Wiisse Puur 2015

Rosa mit orangen Nuancen. Cuvèe aus Blanc de Noirs und Pinot Gris. Im Glas zuerst etwas prickelnd, hat gerade eine 2. Gärung in der Flasche hinter sich. In der Nase sehr fruchtig, leicht oxydativ, alkoholisch, wurde mit Brandwein aufgespritet, der nun die Lagerungszeit, die Stabilität und den Geschmack garantiert. Am Gaumen kräftig, mit einem Sherryton und einer Champagnernote, von der angesprochenen Restsüsse für mich keine Spur. Momentan in einer unruhigen Phase. Hat sich allerdings bereits nach einer Viertelstunde angenehm positiv verändert. Warten.

16.5/20  14,9% vol. CHF 21

Süesse Starche 2010

Goldgelb. Traubensorte Müller-Thurgau. Der erste, von Peter als Unfall deklarierter, damals noch mit Grappa aufgespriteter Wein. In der Nase kräftige Noten nach Aprikosen, reifen gelben Früchten, Apfelsaft und Kräutern. Am Gaumen süss, aber nicht klebrig, fein, elegant, der Alkohol ist gut integriert, könnte auch als «Schweizer Sherry» durchgehen, ordentlicher Abgang.

16.75/20  15,1% vol. CHF 24

Roote Puur 2015

Dunkles Rubinrot. Teilweise angetrocknete und geräuchte Beeren, mit Brandwein aufgespritet und unfiltriert. In der Nase eine spannende Stilistik und ein leichter Rauchton, Am Gaumen barock, zugleich agil und dynamisch, dunkle Nüsse, etwas Tabak, gut eingebundene Gerbstoffe, eine noble Herbe und ein komplexer, langanhaltender Abgang.

17.5/20  16,6% vol.  CHF 24

Süesse Puur 2015

Likörwein. In der Nase zuerst üppige Düfte nach reifen Himbeeren, minime oxydative Noten, ändert mit Lufteinfluss seine Aromatik. Am Gaumen fruchtig, fein, würzig, komplex und trinkig. Nachhaltiger, langer Abgang.

17/20  14,8% vol.  CHF 24

Andi Spichtig

Link: www.stuckiwein.ch

Foto von www.stuckiwein.ch