Montefalco: Drei Sterne – ist eine Reise wert.

Teil 1

Einleitung

Als Kind sind meine Eltern mit mir auf Reisen immer mit dem Guide Michelin, also eine Art Bibel für gutes Essen, unterwegs gewesen. Ich fand das dicke rote Buch auch sehr interessant, unter anderem wegen den Sternen und es hat mich auch, essenstechnisch, vom Schnitzel-Pommes Konformisten zum drei Gänger Geniesser und zum selbst Kochen sozialisiert.  Das Sterne Wertung System von Guide Michelin meint: ein Michelin Stern – ein Stopp wert, zwei Sterne – einen Umweg wert und drei Sterne – eine Reise wert. So verdient Montefalco aus meiner Sicht drei Sterne. Nicht weil ich schon 3-mal da war, sondern weil die Vielfalt an Wein (Stilen), das Essen, die Landschaft und vor allem die Menschen diese 3 Sterne mehr als verdient haben.

Ich war nach 2020, kurz vor der Pandemie (Link zum Bericht) zum ersten Mal zu der Antiprima Montefalco eingeladen und war schockverliebt, so dass ich im Sommer 2020 mit meiner Frau nochmals die Gegend besuchte. Nun bin ich im April 2023 wieder zur Antiprima, welche jetzt AMontefalco heisst eingeladen.

Teil 1 – Die Weinstile

Sagrantino DOCG – Die graue Eminenz

Rebsorte: 100% Sagrantino

Der eigentliche Star ist der reine Sagrantino Wein. Sagrantino ist eine autochthone Rebsorte, die nur in der Region um Montefalco angebaut wird. Sie zeichnet sich durch Tannin reiche und kraftvolle Weine aus.

Sagrantino ist Tannin-Weltmeister, was allerdings ein Segen und ein Fluch zugleich ist. Die Tannine, wenn sie mit guter Winzerkunst gebändigt und gut eingebunden werden, sind sie ein Segen. Wenn die phänologische Reife nicht stattgefunden hat, ist es ein Fluch und die Tannine bleiben Grün.

Ein handwerklich gut gemachter Sagrantino ist aber ein Segen, er ist ein schön strukturierter, kraftvoller und alkoholreicher Wein. Wenn der Alkohol aber in guter Balance mit Säure und Süsse ist, wirkt der Wein nicht alkoholisch. Leider ist dieser Wein Stil, momentan etwas aus der Zeit gefallen. Aus meiner Sicht zu Unrecht. Es sind sicher keine Weine, welche man als Apero oder zu einem Sommerfest bei 30 Grad serviert, aber zu einem deftigen Essen, schön gereift und mit gut eingebundenen Tanninen sind es Weine, die man nicht so schnell vergisst.

Diesen Trend spürt man auch an der AMontefalco, wo neben dem Sagrantino nun auch die Weissweine mehr in den Vordergrund rücken und der Montefalco Rosso, eine Cuvee Variante mit Sangiovese fast gleich behandelt werden wie der reine Sagrantino und der neue Jahrgang des 4 Jahre gereiften Sagrantino, der Weltöffentlichkeit präsentiert wird. Fast kein Winzer verkauft den aktuellen Jahrgang 2019, die meisten verkaufen den 2018, 2017 oder 2016. Meist kann man bei Winzern Sagrantino, die mehr als 10 Jahre alt sind, kaufen. Viele haben den 2019 noch nicht in die Flasche gefüllt. Auch wenn man die Winzer nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Sagrantino frägt, wird schnell klar, dass der Sagrantino eine marginale Rolle spielt. Dies macht er für mich fast noch interessanter. Wer trinkt nicht gerne einen guten raren Wein mit viel Geschichte. Nicht jeden Tag, aber zu besonderen Anlässen.

Ein gutes Beispiel für Top Sagrantino DOCG:

Collepiano Sagrantino di Montefalco DOCG Arnaldo Caprai, 2018

100% Sagrantino, 22 Monate im Barrique
15.5 % Alkohol

Im Glas: Dunkles Rubin, mit Granatrand
In der Nase: Reife Zwetschgen und Brombeeren, leichte florale Noten, Rosmarin
Im Gaumen: Voll, kräftig und rund, fleischige Tannine, lang im Abgang mit einem Nachhall von dunkler Schokolade. Der Wein hat eine tolle Balance, man merkt ihm die 15.5% Alkohol nicht an.

Fazit: ein sehr guter und edler Sagrantino. Ich würde den Wein mindestens eine Stunde vor dem Genuss dekantieren und auf die Temperatur achten, er sollte nicht wärmer als 18 Grad sein, sonst wirkt er plump, was sehr schade für ein solchen Top Wein ist.

In der Schweiz bei Vergani, Zürich erhältlich. (Foto Weinfalsche von Vergani)

Montefalco Rosso -DOC – Der Alltags Star

Rebsorten: Sangiovese von 60 % bis 80 %, Sagrantino von 10 % bis 25 %, andere zugelassene Trauben von 0 % bis 30 %

Der Montefalco Rosso Doc ist wohl der Wein Stil, der wirtschaftlich die wichtigste Rolle in Montefalco spielt. So ist die Rebsorte Sangiovese auch die meistangebaute Rebsorte. Die Rebsorten, die für die Herstellung von Rosso di Montefalco verwendet werden dürfen, sind hauptsächlich Sangiovese, Sagrantino, Merlot und Montepulciano. Sangiovese ist eine der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Rotweinsorten Italiens. Merlot wird als Ergänzung verwendet, um dem Wein eine zusätzliche Geschmacksfülle und Struktur zu verleihen.

Die Produktionsvorschriften für Rosso di Montefalco DOC legen fest, dass der Wein mindestens 60% Sangiovese enthalten muss. Die restlichen 40% können aus Sagrantino, Merlot oder anderen zugelassenen Rebsorten bestehen. Der Wein muss eine bestimmte Reifezeit aufweisen, bevor er auf den Markt gebracht werden kann. In der Regel beträgt die Reifezeit mindestens 18 Monate, wovon mindestens 6 Monate in Holzfässern gelagert werden müssen. Es gibt noch eine Montefalco Rosso Reserva Variante, wo der Wein 22 Monate im Fass war.

Ein gutes Beispiel für einen Montefalco Rosso DOC:

Rosso di Montefalco DOC 2019 Azienda Agricola Antonelli (Bio)
70% Sangiovese, 15% Sagrantino, 15% Montepulciano, 18 Monate in grossen Eichenfässern und anschliessend im Zementtank

Im Glass: tiefes Rubin
In der Nase: Dunkle reife rote Früchte, mit Floralen und Gewürznoten.
Im Gaumen: Voll, mit schöner Struktur und Eleganz. Gute Balance, schöner langer Abgang.
Fazit: Ein sehr guter Tischwein, zum Grillen oder zu reifen Hartkäse.

In der Schweiz bei Flaschenpost erhältlich. (Foto Weinfalsche Antonelli)

Spoleto Trebbiano Spoletino DOC – Der neue Star

Rebsorten: 100% Trebbiano Spoletino

Die Weissweine werden in Montefalco immer wichtiger. Diverse junge Winzer setzen in Montefalco mehr auf Weissweine. Neben dem Trebbiano Spoletino wird auch noch die Weinweinsorte Gechetto DOC angebaut.

Spoleto DOC Trebbiano Spoletino ist eine Weissweinsorte, welche in der Region Spoleto, ein paar KM von Montefalco entfernt ihren Ursprung hat.

Trebbiano Spoletino ist eine einzigartige Rebsorte, die bis zum späten 20. Jahrhundert fast ausgestorben war, bevor Anstrengungen unternommen wurden, ihren Anbau wiederzubeleben. Die Traube zeichnet sich durch ihre dicke Schale und hohe Säure aus, was zum erfrischenden und knackigen Charakter des Weins beiträgt. Früher wurden die Weine zum Teil in den Bäumen kultiviert (siehe mein Bericht von 2020)

Spoleto DOC (Denominazione di Origine Controllata) ist eine italienische Weinherkunftsbezeichnung, die den Ursprung und die Qualität des Weins garantiert. Sie legt die Produktionsmethoden und die zugelassenen Rebsorten fest, die bei der Herstellung des Weins verwendet werden dürfen.

Spoleto DOC Trebbiano Spoletino-Weine haben in der Regel eine blass strohgelbe Farbe und zeigen florale und fruchtige Aromen, darunter Noten von weissen Blumen, Zitrusfrüchten und grünen Äpfeln. Am Gaumen werden sie oft als trocken, ausgewogen und lebhaft beschrieben, mit einer guten Säure, die für eine lebendige und erfrischende Sensation sorgt.

Diese Weine sind vielseitig und passen gut zu einer Vielzahl von Gerichten. Sie können für sich allein als Aperitif genossen werden oder zu Meeresfrüchten, weissem Fleisch, leichten Pasta Gerichten und frischen Käsesorten serviert werden.

Ein gutes Beispiel für einen Spoleto Trebbiano Spoletino DOC:

Perticaia TREBBIANO SPOLETINO, Spoleto DOC 2021
100% Trebbiano Spoletino

Im Glas: Strohgelb mit blass-grünen Reflexen
In der Nase: tropische Früchte, Zitrus, gelbe Blüten
Im Gaumen: Frisch und breit, schöne Säurebalance, lang im Abgang
Fazit: Gut zu Apero, Fisch, Risotto, Pasta

In der Schweiz bei der Weinhandlung Felsenkeller erhältlich. (Foto Weinflasche Felsenkeller)

Sagrantino Passito Montefalco DOCG – Die Geschichte

Die Geschichte des Sagrantino Passito ist eng mit der Region Umbrien verbunden. Die Geschichte des Sagrantino Passito reicht weit zurück. Die Sagrantino-Traube wird seit der Antike in Umbrien angebaut, und ihre Wurzeln reichen wahrscheinlich bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. zurück. Die Römer schätzten bereits die Qualität der Traube und verwendeten sie zur Herstellung von Wein. In den folgenden Jahrhunderten geriet die Sagrantino-Traube jedoch fast in Vergessenheit und wurde nur noch von wenigen lokalen Weinbauern angebaut.

In den 1970er Jahren begann eine Wiederbelebung des Weinbaus in Umbrien, und die Sagrantino-Traube gewann wieder an Bedeutung. Einige innovative Winzer erkannten das Potenzial dieser Traube und begannen, den Sagrantino Passito herzustellen. Der Passito ist ein süsser Wein, der aus getrockneten Trauben hergestellt wird. Die Sagrantino-Trauben werden nach der Ernte an speziellen Trockenständern oder auf Strohmatten getrocknet, um den Zuckergehalt zu konzentrieren und die Aromen zu intensivieren.

Der Sagrantino Passito erhielt schnell Anerkennung für seine aussergewöhnliche Qualität. Im Jahr 1992 erhielt der Wein eine eigene DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita)-Klassifizierung, die höchste Stufe der italienischen Weinklassifizierung. Diese Auszeichnung bestätigt die besondere Herkunft und Qualität des Sagrantino Passito.

Heute ist der Sagrantino Passito einer der bekanntesten und angesehensten Dessertweine Italiens. Er wird in begrenzten Mengen produziert und gilt als wahre Spezialität der Region Umbrien. Der Wein zeichnet sich durch seine dunkle, tiefrote Farbe, sein intensives Aroma von reifen Früchten, Gewürzen und Schokolade sowie seinen süssen und lang anhaltenden Geschmack aus.

Der Sagrantino Passito wird oft als Begleiter zu Desserts wie Schokoladentorten, reifen Käsesorten oder einfach als Meditationswein genossen. In Umbrien wird und wurde der Passito zum Osterlamm getrunken. Er ist ein Symbol für die Leidenschaft und Hingabe der Weinbauern in Umbrien und eine Hommage an die lange Geschichte des Weinbaus in dieser Region.

Ein gutes Beispiel für einen Sagrantino Passito Montefalco DOCG:

Sagrantino Passito Montefalco DOCG Paolo Bea (Bio Dynamisch)
100% Sagrantino

Im Glas: bräunliche Reflexe in einem dunklen Rubinrot
In der Nase: Lakritze und Minze, (Khaki, getrocknete Pflaumen und Feigen) und balsamische Noten.
Im Gaumen: Schönes Spiel zwischen süss und sauer dazu, das in einem schier endlosen Finale auf Aromen von getrockneten Weinbeeren endet.
Fazit: Ein durch seine Feinheit bestechender Wein, der zu Käse oder getrockneten Früchten passt. Paolo Bea ist einer der Begründer der Naturwein Produktion in Italien. Seine Weine haben Kult-Status.

In der Schweiz bei Cultivino erhältlich. (Foto Weinflasche Cultivino)

Prost

Pascal Burckhardt

(Fotos Pascal Burckhardt – ausser die Weinflaschen)