Schipfgut in Herrliberg

Was lange währt wird endlich gut.

Was lange währt wird endlich gut.

Komplett vergessen habe ich eine eindrückliche Begegnung mit Verkostung anfangs Juni 2018 auf dem Schipfgut in Herrliberg am Zürichsee.

Neuer Wein in neuen Schläuchen

Ich habe die deutsche Redewendung einfach umgekehrt. Für mich bedeutet dies, dass seit einem Jahr ein neuer, innovativer Betriebsleiter auf dem Weingut Schipf in Herrliberg seine Arbeit macht. Er heisst Jonas David Ettlin. Kennengelernt habe ich ihn vor einigen Jahren in der Karthause Ittingen. Er leitete dort den Weinbaubetrieb. An einem Seminar für Journalisten wurden uns unter anderem Weinfässer aus Thurgauer Eiche, in welchen nur die besten Pinot Noir Trauben ausgebaut wurden, präsentiert. Da ich als Brand Ambassador auch für eine kleine, aber national und international erfolgreiche Thurgauer Microdestillerie arbeite waren so die ersten Kontakte und vor allem mein Interesse an solchen Weinfässern für unsere Spezial- Whiskys manifestiert.

 

Das Traditions-Weingut Schipf

Kaspar von Meyenburg und seine Weine kennen meine Frau und ich bereits seit vielen Jahren. Immer wieder gab es Gelegenheiten, auf dem Weingut im grossen Rokoko-Festsaal ein Konzert oder eine stimmige Kellerbesichtigung mit anschliessendem Suppenznacht zu besuchen. So erzählte Kaspar uns dann bei solchen Besuchen, das das 1582 vom Zürcher Tuch- und Seidenhändler David Werdmüller gegründete und im 17. und 18. Jahrhundert von den Stadtzürcher Familien Werdmüller und Escher als Sommerresidenz zu einem repräsentativen Anwesen erweiterte Landgut in einen traditionellen Mischbetrieb umgewandelt wurde. Vor über 120 Jahren ging das Gut in den Besitz der Familie von Meyenburg über. 1991 wurde es von seinem Vater an Kaspar übertragen. Im Jahre 1994 übernahm der promovierte Microbiologe, der vorher Professor für Mikrobiologe an der Universität Kopenhagen und anschliessend als Leiter der Abteilung für Mikrobiologie der ehemaligen Ciba-Geigy in Basel tätig war selbst die Betriebsleitung des familieneigenen Landgutes Schipf. Der Versuch, die Geschicke des Weingutes aus der Ferne zu leiten misslang. So gab er seine Forschungstätigkeit auf und beschloss, dieses in einen reinen Weinbaubetrieb umzuwandeln. Geeignete Lagen wurden mit neuen Reben verschiedener Sorten bestockt, die 300 Jahre alte Trotte und der imposante, aus dem Jahre 1728 stammende Gewölbekeller entrümpelt und mit den für einen zeitgemässen Weinbau nötigen Apparaturen ausgestattet. Seit 2018 ist Jonas David Ettlin als Önologe für die Betriebsleitung verantwortlich.

Heute wachsen auf 5 Hektaren 7 Sorten Weissweine und 3 Sorten Rotweine. Ferner sind im Angebot (aus Pinot Noir Trauben) ein Federweisser und ein Rose Wein.

Als langjähriger, treuer Kunde der Schipfgut- Weine weiss ich natürlich, dass diese nicht jung getrunken werden müssen. Im Laufe der Jahre konnte ich mich von Kaspar immer wieder vom enormen Reifepotential der Weine überzeugen lassen. Auch bei unserem letzten Besuch konnten es Kaspar von Meyenburg und Jonas Ettlin nicht lassen, uns neben seiner aktuellen Kollektion auch einige ältere Weine aufzutischen, darunter einen 2006er Chardonnay und drei Pinot Noirs aus dem Hitzejahr 2003. Diese präsentiere ich Ihnen hier gerne.

Verkostungsnotizen

Chardonnay 2006

Dunkles Goldgelb. Zeigt ganz klar eine gereifte Fruchtnase, etwas Sherry, reifer Apfel, Kräuter, auch florale Noten. Im Gaumen viel Schmelz, eine cremige Fülle und auch eine etwas exotische Fruchtmischung, sehr präsent, würzig, eine noch immer perfekt integrierte Säure, mit einer bemerkenswerten Länge, Kraft und bereichernden tertiären Aromen im langen Abgang. Immer noch ein vorzüglicher Klassiker, der sich im Glas je länger je mehr öffnet.

18/20

Pinot Noir Auslese 2003

Helles Rubinrot mit ziegelfarbigen Nuancen. Komplexe Nase, offenes Bouquet, reife Früchte, würzige Noten, Röstaromen, Lakritze, im Gaumen opulent, kräftig mit reifen Tanninen, einer gut integrierten Säure, noch präsenten Tanninen, gute Länge, kräftiger Körper und mit einem langen Abgang. Reifer Wein aus einem heissen Jahr, jetzt wohl auf dem Höhepunkt.

17.5/20

Pinot Noir Spätlese 2003

Helles Rubinrot mit aufgehelltem ziegelfarbigen Wasserrand. Schöne Reifetöne, offenes Bouquet, Kirschen, rote Beeren, leicht florale Ansätze, etwas Leder, runde Tannine, saftige, noch immer präsente Säure, wunderbar strukturiert, gereift auch im Gaumen. Alles ist komplex, druckvoll und überraschend. Punktet im langen Abgang mit Finesse, Eleganz und einem unvergleichlichen Schmelz. Präsentiert sich zurzeit wohl auf dem Höhepunkt und ist ein Beweis dafür, dass auch Weine vom Zürichsee über ein Alterungspotenzial verfügen.

18/20

Pinot Noir Barrique Auslese 2003

Erstaunlich klares Rubinrot, wirkt trotz seinem Alter noch erstaunlich jugendlich und frisch. In der Nase komplex mit reifen Beerenaromen, nur minim gereifte Töne, reife schwarze Kirschen, dunkle Beeren, Dörrfrüchte, Rauchnoten und etwas Leder. Im Gaumen fallen die feinen, perfekt integrierten Tannine, eine elegante Säure und eine gute Struktur auf. Langanhaltender Abgang. Obwohl der Wein bereits 16 Jahre auf dem Buckel hat, reift er in Würde und bietet immer noch ein veritables Trinkvergnügen.

18.5/20

Anmerkung

Mein Lieblingswein des Weingutes ist allerdings das nur in besten Jahren, mit überreifen, am Stock angetrockneten Trauben gekelterte Amarone ähnliche Elixier mit dem witzigen Namen «Casparone». Es ist dies ein Ausnahmegewächs von wuchtiger, warmer Fülle, markanten, gut eingebauten Tanninen, einer schönen, Frische verleihenden Säure und einem langen Ausklang.

Diese Spezialität habe ich bereits einmal bei einer ordentlichen Amarone Verkostung unter Weinfans als Pirat mitlaufen lassen. Er wurde damals, zur Überraschung aller Beteiligten, 3. von 16 eingereichten Mustern!

Andi Spichtig

Link https://www.schipf.ch/